BERLIN 06.07.2022. Angesichts des anhaltenden Chaos im Reiseverkehr fordert der Verbraucherverband Vereinigung Passagier e. V. die Politik zum Handeln auf.

„Es kann nicht sein, das Flug- oder Bahnreisende noch länger die Leidtragenden dieses Chaos mit Ansage sind. Vor allem in Hinsicht von Rückerstattungen bei Flügen muss in der Politik ein Umdenken stattfinden, hier kann es nicht länger sein, dass die Passagiere den Fluggesellschaften zinslose Kredite für Flüge in der Zukunft einräumen, die dann zu Tausenden ausfallen“, so Lars F. Corsten, Vorsitzender der Vereinigung Passagier. Alternativ muss die Politik über härtere Sanktionen gegenüber den Fluggesellschaften nachdenken. „Ersatzlos annullierte Flüge müssen innerhalb von sieben Tagen erstattet werden. Wir könnten uns vorstellen, dass für jeden Tag danach der Fluggast 50 Euro extra zugesprochen bekommt. Sollte das Geld nach 14 Tagen immer noch nicht zurückerstattet sein, dann müsste eine zusätzliche Strafgebühr von 500 Euro für Flüge unter 1.000 Euro verhängt werden und bei Flügen, die mehr als 1.000 Euro bis 2.000 Euro gekostet haben wären dann 750 Euro zusätzlich fällig. Für alle teureren Flüge müssten es dann 1.000 Euro zusätzlich sein“, so Corsten weiter. Besser wäre es jedoch das System der Vorauszahlung komplett auf den Prüfstand zu stellen.

Auch was die Abfertigung an den Flughäfen angeht, muss es zu einer Verbesserung kommen. Beispielsweise durch den Einsatz von modernerer Scannertechnik an den Sicherheitskontrollen. Die Scanner der neusten Generation erfordern zum Beispiel nicht mehr, dass Flüssigkeiten und Computer aus dem Handgepäck genommen werden müssen.

Auch müsse generell über die Sicherheitskontrollen und ihre Beschäftigten nachgedacht werden. Statt dies von privaten Firmen erledigen zu lassen, sollten die Bundesländer dies neu regeln und, wie in Bayern, eigene Gesellschaften gründen, um die Flugastkontrollen weitgehend in staatlicher Hand zu belassen und die Angestellten nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVÖD) zu bezahlen. „Damit hätten die Beschäftigten auch in Krisenzeiten sichere Arbeitsplätze, würden vernünftig bezahlt und den Reisenden würde das derzeitige Chaos in weiten Teilen erspart bleiben“, ist sich Corsten sicher.

Daneben fordert die Vereinigung Passagier die Möglichkeit eines sogenannten Pre-Check-in, ähnlich dem amerikanischen TSA PreCheck®. Dieses sorgt für eine wesentlich schnellere Sicherheitskontrolle. Die für dieses Programm angemeldete Fluggäste und von der Transportation Security Administration (TSA) geprüften Gäste haben in vielen Flughäfen in den USA Zugang zu einem gesonderten Security Check. In Deutschland müsste diese Hintergrundprüfung entsprechend durch die Bundespolizei und anderer Behörden vorgenommen werden. Dadurch, dass diese Gäste nicht mehr ihre Schuhe, Gürtel und dünne Jacken ausziehen müssen und ihre Laptops und Flüssigkeiten, die unter die 3-1-1-Regel* fallen, in Ihrem Handgepäck lassen können, wird die Sicherheitskontrolle deutlich schneller.

Weiterhin muss über eine Sanktionierung von erheblich verspätetem Gepäck nachgedacht werden. Es kann nicht sein, dass Reisende über Stunden oder sogar Tage auf die Herausgabe ihres Aufgabegepäcks warten müssen. Hier ist es an den Luftfahrtgesellschaften, sich mit ihren Dienstleistern ins Benehmen zu setzen, um die Prozessabläufe zu optimieren. Denkbar wäre aber auch, dass die EU Verordnung 261/2014 (Fluggastrechte) dergestalt angepasst wird, als dass eine gestaffelte Entschädigungszahlung, z. B. 50 € ab einer Stunde, 100 € ab 3 Stunden und 250 € ab 24 Stunden, gewährt werden muss. Die Airlines könnten sich zusätzlich, im Rahmen einer Selbstverpflichtung, zu einer Kompensation bereit erklären, in dem sie freiwillig eine Entschädigung in Form eines Fluggutscheines i. H. v. z. B. 25 € oder 2.500 Meilen an die Reisenden ausgeben, wenn das Gepäck nicht innerhalb von 20 Minuten nach Ankunft des Flugzeugs am Flugsteig bei der Gepäckausgabe ist, ähnlich wie es auch Alaska Airlines vornimmt.

Um die aktuelle Situation zu entschärfen, welche für die Reisenden eine Zumutung darstellt, ist schnelles Handeln erforderlich. Hier ist auch und vor allem die Politik aufgerufen. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang die zügige Etablierung eines runden Tisches zwischen Flughafenbetreibern, Fluggesellschaften, Reiseanbietern und der Politik als Moderator. „Das anhaltende Chaos an vielen deutschen Flughäfen darf nicht länger auf den Rücken der Passagiere ausgetragen werden“, so Corsten abschließend.

Der Verband Vereinigung Passagier e. V. ist ein unabhängiger, überparteilicher und gemeinnütziger Verbraucherverband, der die Interessen von Reisenden zu Wasser, zu Lande und in der Luft gegenüber Luftfahrt- und Verkehrsunternehmen, Verwaltungen und Politikern vertritt.

Die Vereinigung Passagier e. V. hat den Anspruch sich aktiv an der Entwicklung von neuen Konzepten für das Reisen zu beteiligen. Der Verband informiert und sensibilisiert die Politik und Verwaltungen für den Reiseverkehr und nimmt Einfluss auf die öffentliche Diskussion.

Darüber hinaus veranstaltet die Vereinigung Seminare, gibt Reiseinformationen heraus und berät Reisende im Umgang mit den Reise- und Beförderungsunternehmen.

*Die 3-1-1-Regel bezieht sich auf drei Kernkomponenten, die bestimmen, wie viele Flüssigkeiten im Handgepäck mitgenommen werden können: Jede Flüssigkeit muss in einem 3,4-Unzen-Behälter oder weniger („3“) sein (entspricht in Deutschland der 100 ml Regel), alle Behälter müssen in einer durchsichtigen Plastiktüte mit höchstens einem Liter Volumen („1“) platziert werden und jeder Passagier darf nur eine Plastiktüte („1“) mitnehmen.

 

Pressekontakt: Mario Hoffmeister • mario.hoffmeister[at]vpassagier.com • Tel: +491774475480